Monday, April 10, 2006

Walding

In Walding, da kennt der Wahn keine Zügel,
Das Wirtshaus steht unten, die Kirche am Hügel,
Und Sonntags da wird dann ein Hang überwunden,
Weil auf dem Hügel ist's höher als unten.

In Walding, da kennt der Wahn keine Schranken,
Es gibt eine Bank, doch es gibt keine Banken,
Weil die Waldinger, wenn mancher auch gut verdient,
Für mehr als eine zu wenige sind.

In Walding, da kennt der Wahn keinen Halt,
Ein jeder wird älter, doch Walding wird alt,
Und am Sportplatz ziehen umher sie die Greise,
Und am Himmel ziehen die Geier schon Kreise.

In Walding, da kennt der Wahn keine Bremsen,
Im Baum sitzen Spatzen, im Tierpark die Gemsen,
Am Tisch sitzen Freunde, im Busch sitzen Feinde,
Nur das Rindvieh sitzt auf der Gemeinde.

Wednesday, April 05, 2006

Diebische Medien


Schon seit geraumer Zeit werden die Medien diverser Vergehen beschuldigt. Bisher standen der Vorwurf der Massenmanipulation, der Vorspiegelung falscher Tatsachen, des Ruf-, sowie in manchen Gegenden der Anregung eines physischen Mordes im Vordergrund, aber nun ist es an der Zeit, von diesen Abgründen aus in die seichten Schlieren der niederen Verbrechen zu waten, sich in die trüben Wässer zu knien und daraus Anklage zu erheben und zwar wegen gemeinen Diebstahls. Die Medien haben uns die schönen Menschen aus dem Alltag entwendet.

Man kann nicht mehr mit einem modernen Massenmedium in Kontakt kommen, ohne nahezu perfekte Kronen der Schöpfung vorgeführt zu bekommen. Egal ob im Fernsehen, in den Zeitschriften oder auf den bunten Plakaten entlang der Ausfallstraßen - allenthalben stolpert der Blick über menschgewordene wohlproportionierte, wohlgebräunte, wohllächelnde Ansehnlichkeit. Damen, die in direkter Erbfolge an den Reizen der Aphrodite Beteiligungen halten, fesseln mit ihrem reizvollen Augenaufschlag unsere Aufmerksamkeit, sodass wir gar nicht merken, wie die Hand zu dem beworbenen Konsumgut greift. Junge Herren schauen uns von den Affichen so sinnlich entgegen, dass wir zuerst an ihrer, im Falle länger anhaltenden Blickkontaktes dann an unserer Heterosexualität zu zweifeln beginnen. Wer in der Welt der Medien lebt, lebt mit der Überzeugung, der Mensch sei tatsächlich als Ebenbild Gottes geschaffen worden.

Wer sich aber bisweilen hinter seinem Fernseher, seinem Versandhauskatalog, seiner ihm als Wohnstatt dienlichen Kühlschrankverpackung hervorwagen muss, verliert den Glauben an jedweden Kreationismus. Wo auch immer wir uns auf die Suche nach den Idealen einer besseren Welt machen - im Hörsaal, im Bus oder im Spiegel -, nirgends sind die Menschen, die wir zu kenne glauben anzutreffen. Stets stoßen wir nur angewidert auf den lähmenden Atem des Gewöhnlichen, der die Realität durchbläst (*). Menschen, die zu groß, meist aber zu klein, zu dünn, meist aber zu dick, und praktisch immer zu unfreundlich sind beherrschen diese und wirken dabei besonders in den Wintermonaten noch kränklich und oft viel zu alt. Von den Schönheiten der Werbung, des Internets und der Boulevardberichterstattung fehlt jede Spur.

In den seltensten Fällen erweckt jemand unser Interesse, der an einen matten Abglanz jener Hochglanzwesen erinnert, doch stets fehlt es an den Proportionen, der Bräune oder dem Lächeln - und wer sich mit ihnen kurz zurückziehen will, um Phantasien nachzugehen, erlebt auch eine unangenehme Überraschung. Selbst wenn man auf Personen des im allgemeinen anderen Geschlechts trifft, bei deren Anblick man sich in glücklicheren Zeiten erfreut "Fesch!" gedacht hätte, so schiebt sich heute nur die Erinnerung an die Bevölkerung der zuletzt überflogenen Publikation zweiter Klasse vor das innere Auge und das stille Kompliment wandelt sich in ein betrübtes "Andererseits ..."

Wie, die gemeinen Bewohner einer gewöhnlichen Welt, müssen somit bei ästethischer Häss- und Durschnittlichkeit darben, während sich ganze Herden von atemberaubend gutaussehenden Menschen auf den immergrünen Weiden der Medienlandschaft tummeln. Ich sage:
Reißt die Zäune ein!
Befreit die Spitzen menschlicher Perfektion!
Lasst die Medien den Schrecken ewiger Verdammnis anheim fallen!
Oder nicht.



(*): Der lähmende Atem der Realität (Beispiel):